30 Jahre Jugendgemeinderat Jubiläum

Der Gerlinger Jugendgemeinderat (JGR) kann inzwischen schon auf 30 Jahre zurückblicken. Dieser runde Geburtstag wurde mit einem Festakt und anschließender Sommerparty gefeiert. „Der Jugendgemeinderat bedeutet mehr als ein Gremium – er bedeutet Mitspracherecht zu haben, Verantwortung zu übernehmen, Gemeinschaft zu spüren“, stellte die Sprecherin des JGR Josefine Schulz eingangs ihrer Begrüßungsrede fest. Zu der Jubiläumsfeier konnte sie Bürgermeister Dirk Oestringer, zahlreiche Gemeinderäte, ehemalige Mitglieder des Jugendgemeinderats, Unterstützerinnen und Unterstützer, die aktuellen Jugendgemeinderäte und den Leiter des Gerlinger Stadtarchivs, Klaus Herrmann, der die Festansprache hielt, begrüßen. „Der Jugendgemeinderat bedeutet mitzugestalten – unsere Stadt, unsere Gegenwart und unsere Zukunft“, so Schulz weiter. Beim Jubiläum wolle man aber auch in die Vergangenheit schauen, denn in den letzten Jahren sei einiges erreicht und durchgeführt worden. Als Beispiele nannte sie den Grillplatz, den Pumptrack, den Treffpunkt für Jugendliche, die Fußballtore am Regenrückhaltebecken, verschiedene Graffiti-Wände, viele Partys und Mitternachtsfußballturniere. In ihrer Rede hielt die Sprecherin weiter fest, dass das Jubiläum nicht nur gefeiert werden könne, weil der aktuelle Jugendgemeinderat engagiert ist, sondern weil es in den letzten 30 Jahren viele Menschen gegeben habe, die dieses Gremium ermöglicht, begleitet und gestärkt haben. An der Stelle dankte Schulz der Gründungsgeneration des Jugendgemeinderates aus dem Jahr 1995, von der neben dem ersten Sprecher Hartwig Maier auch Stefan Blumenstock, Mark Tisch und Beatus Zimmermann anwesend waren. Einen Dank sprach Schulz auch den Mitglieder des Gemeinderates und der Verwaltung aus, die die Jugendbeteiligung seit drei Jahrzehnten ernst nehme und fördern würden, der Betreuung durch das Jugendreferat insbesondere Andreas Lux, allen ehemaligen JGR‑Mitgliedern und allen, die zum Gelingen der Jubiläumsfeier beitragen. Wenn man die Galerie mit den Bildern aus 30 Jahren JGR anschaue, sehe man, dass Jugendbeteiligung vielleicht nicht alles auf einmal verändert, sie verändere aber Haltung, Diskussionen, Perspektiven und manchmal sogar politische Entscheidungen. „Gerade heute, in einer Zeit, in der demokratische Grundwerte immer offener infrage gestellt werden, in der Polarisierung, Desinformation und politische Gleichgültigkeit zunehmen, ist es wichtiger denn je, dass junge Menschen sichtbar Haltung zeigen”, gab Josefine Schulz ein klares Statement ab. Und weiter: „In den letzten Jahren gab es Podiumsdiskussionen, Kundgebungen und Austausche mit den Parteien und das ist auch sehr wichtig. Aber vor allem in der kommenden Legislaturperiode sollte das weiter passieren können. Politischer Austausch muss gerade jetzt durchgeführt und erweitert werden, damit demokratische Grundwerte stark und sichtbar bleiben und die Stimme der Jungen nicht untergeht. Der Jugendgemeinderat ist dabei kein Symbol, sondern kann ein echtes Instrument politischer Teilhabe sein. Wir lernen, uns einzumischen, zu argumentieren. Verantwortung zu übernehmen. Jugendbeteiligung ist somit keine nette Option, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer lebendigen Demokratie.“ Den zukünftigen Jugendgemeinderäten wünschte sie, das alles auch in Anspruch zu nehmen und durchzusetzen.

Bürgermeister Dirk Oestringer beglückwünschte die Jugendgemeinderäte eingangs seiner Rede zu dem besonderen Jubiläum. „30 Jahre Jugendgemeinderat, das sind drei Jahrzehnte voller Engagement, Beteiligung und Mitgestaltung.“ 30 Jahre seien eine Generation, gab das Stadtoberhaupt zu bedenken. Die Jugendgemeinderäte, die in den letzen 30 Jahren im Gremium aktiv waren, hätten alle Verantwortung übernommen und damit gezeigt, dass Demokratie dort beginnt, wo Menschen bereit sind, sich zu engagieren, dort wo Menschen mitmischen wollen und es nicht allen anderen überlassen. Der Jugendgemeinderat ermögliche es den Jugendlichen, sich zu beteiligen und er verdeutliche, dass die Stimme von jungen Menschen in der Stadt zählt. Und die Stimme der jungen Menschen zähle nicht nur, sie sei auch eine echte Bereicherung. „Sie fordert uns in der Verwaltung und im Gemeinderat heraus, bringt in manchen Diskussionen neue und andere Blickwinkel hinein und reflektiert unsere Entscheidungen auf eine ganz andere Art und Weise“, so Oestringer. „Alle Entscheidungen, die getroffen werden, wirken auf uns ein“, so das Stadtoberhaupt. Kommunen seien Orte der Wirklichkeit. Deshalb sei es auch so wichtig, dass man Jugendliche beteiligt. „Jugendthemen sollten von Jugendlichen mitbestimmt werden, denn niemand kennt Eure Bedürfnisse besser als Ihr selbst.“ In Baden-Württemberg habe man das schon früh erkannt und Jugendgemeinderäte gegründet. Die Gründung des Jugendgemeinderates vor 30 Jahren sei für eine Stadt in der Größe Gerlingens schon sehr früh gewesen. Tatsächlich sei Baden-Württemberg nicht nur ein Ehrenamtsland, sondern auch ein Jugendgemeinderatsland, denn in keinem Bundesland gebe es so viele Jugendgemeinderäte. Aktuell seien es über 90. In Zeiten, in denen viele den Eindruck haben, Politik sei weit weg vom Alltag, zeige der Jugendgemeinderat das Gegenteil: Politik kann nah und niederschwellig sein. Die Stadt sei nicht nur Lebensort, sondern auch die unterste Organisationsebene des Staates und sozusagen der direkte Adressat der Wünsche von Jugendlichen. „Mir ist wichtig, dass man Demokratie erlebt solange man jung ist“, so das Stadtoberhaupt. Demokratie müsse gewissermaßen gelernt werden – von klein auf und immer wieder aufs Neue. An den aktuellen politischen Geschehnisse in Deutschland sehe man, dass man sich immer wieder bewusst machen muss, was es bedeutet, in einer Demokratie zu leben und welche Werte mit ihr einhergehen. All das sei für eine funktionierende Demokratie unerlässlich. Die Möglichkeiten der Jugendgemeinderäte, mitzugestalten und sich zu beteiligen, seien vielfältig Projekte und Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen, Partys oder auch die Beteiligung am Gerlinger Musiksommer oder am 50‑jährigen Jubiläum nannte das Stadtoberhaupt Beispiele. Zudem sei der Jugendgemeinderat in beratender Funktion im Kultur-, Jugend- und Sportausschuss sowie im Ausschuss für Städtepartnerschaften vertreten, und bringe dort die Perspektive der Jugend ein. Das schärfste Schwert sei, dass der Jugendgemeinderat Rede und Antragsrecht im Gemeinderat hat, auch wenn der Vorsitzende es nicht wolle. Der Gemeinderat müsse über vom Jugendgemeinderat gestellte Anträge beraten. Der Jugendgemeinderat sei damit Teil kommunaler Entscheidungsprozesse und habe damit beispielsweise den Impuls für den Treffpunkt gesetzt, der sich jetzt an der Pumptrack befindet, der auch auf Initiative des Jugendgemeinderates entstanden sei. Und Oestringer nannte auch die aktuell laufenden Anträge zu den Themen Hygieneartikel auf öffentlichen Toiletten und Bereitstellung von Graffiti-Wänden. Und auch die Öffentlichkeitsarbeit des JGR mit Berichten über das aktuelle Geschehen in der Stadt und das Engagement des Gremiums ließ das Stadtoberhaupt nicht unerwähnt. Diese Vielfalt zeige, dass Beteiligung keine Einbahnstraße ist. „Sie lebt vom Dialog, von Offenheit und vom echten Interesse, Dinge gemeinsam zu gestalten.“ Um eine gute Schnittstelle zwischen Jugendlichen und Verwaltung zu ermöglichen, stelle die Stadt auch personelle Ressourcen zur Verfügung in Form der Geschäftsstelle des JGR und der Betreuung bei Wahlen. In dem Zusammenhang nannte Oestringer Andreas Lux, Michaela Höhn‑Bea und Stefan Fritzsche, Alexandra Frei und Anja Frohnmaier sowie Ulrike Hoffmann‑Heer, die den Jugendgemeinderat in den vergangenen drei Jahrzehnten begleitet haben und weiter begleiten. Was in Gerlingen in den vergangenen 30 Jahren Jugendgemeinderat an Projekten, Ideen und Debatten entstanden ist, sei beeindruckend, so Oestringer weiter. Die Gestaltung von Freizeitangeboten wie die Halfpipe bei der Breitwiesenschule oder die Probenräume für Gerlinger Bands nannte er ebenso wie das Anrufsammeltaxi, die Beteiligung an Aktionen gegen Diskriminierung und für Demokratie oder auch die Fahrten in die Partnerstädte Seaham, Tata und Vesoul, bei denen immer Jugendgemeinderäte dabei sind. Für dieses Engagement, die Ideen und die Bereitschaft Verantwortung für die Jugend zu übernehmen, bedankte sich Oestringer auch im Namen des Gemeinderates und der Stadtverwaltung. Einen Dank sprach er den Jugendgemeinderäten auch für ihre Geduld aus, auch dann wenn politische Prozesse einmal länger dauern als gewünscht. Sein Wunsch sei es, den Jugendgemeinderat noch mehr in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. „Lasst uns gemeinsam weiter an unserem Gerlingen arbeiten und die Zukunft gestalten – für alle Generationen“, schloss Oestringer seine Ausführungen und wünschte allen eine schöne Jubiläumsfeier.

Der erste Sprecher des JGR, Prof. Dr. Hartwig Maier hielt in seinem Grußwort fest, dass es ihm Spaß gemacht habe, Jugendpolitik zu machen. Besonders sei in Gerlingen gewesen, dass der Jugendgemeinderat mit großer Unterstützung seitens der Verwaltung, des Gemeinderates und der Bürger eingeführt wurde. Das sei schon daran zu erkennen, dass der JGR von Anfang an Rede‑ und Antragsrecht sowie eine beratende Stimme im Jugendausschuss hatte. „Das war für uns etwas ganz Besonderes.” Bei Dachverbandstreffen sei der Gerlinger Jugendgemeinderat für diese Möglichkeiten immer beneidet worden. Ein Indiz dafür, dass der Jugendgemeinderat von Anfang an viel Unterstützung erhalten hat, ist für Maier auch der Umstand, dass er zu Veranstaltungen und den Reisen in die Partnerstädte immer eingeladen war. Diese Reisen seien schon damals wichtig gewesen und heute noch mehr. „Uns wurde viel Wertschätzung entgegengebracht und wir wurden immer mit offenen Armen empfangen und mitgenommen.” Schön sei auch, dass es den Grillplatz, der vom ersten Jugendgemeinderat angestoßen wurde, heute immer noch gibt. In dem Zusammenhang erinnerte er sich an die Diskussionen, die es wegen dem Grillplatz gegeben hat und auch daran, dass man den Gemeinderat am Ende überzeugen konnte. „Der Jugendgemeinderat hat demjenigen, der sich einbringen wollte, persönlich und auch der Stadtgesellschaft viel gebracht“, so Maier. Die Tatsache, dass der Jugendgemeinderat immer völlig losgelöst von Parteipolitik war, sei sicher mit ein Grund, warum es ihn immer noch gibt, ist der ehemalige Sprecher überzeugt. Für die Zukunft wünschte er dem aktuellen und allen zukünftigen Jugendgemeinderäten das Beste.

Klaus Herrmann freute sich, dass außer den vier Jugendgemeinderäten der ersten Stunde mit Petra Bischoff und ihm auch zwei Gemeinderäte aus der Zeit, als der Jugendgemeinderat auf dem Weg gebracht wurde, ebenfalls hier seien. Für die heutige Jugendgemeinderäte seien 30 Jahre eine lange Zeit. Bis zur ersten Wahl 1995 sei es ein langer Weg gewesen. 1994 habe die CDU‑Fraktion den Antrag gestellt, einen Jugendgemeinderat für Gerlingen zu installieren. Damals habe es landesweit 18 Jugengemeinderäte gegeben. Bei den ersten Beratungen sei die Zustimmung sehr mäßig gewesen. Der Jugendgemeinderat sollte Abstraktions-, Motivations- und Bildungsfunktion haben. Ein aktiven Gemeinderat habe damals beispielsweise erklärt, dass die Jugendlichen nicht lange durchhalten werden. Man habe dann aber ein Hearing durchgeführt, zu dem 100 Teilnehmende kamen. Danach habe sich der Gemeinderat die Jugendgemeinderäte vor Ort in Gengenbach und Leinfelden angeschaut. Bei weiteren Beratungen sei ins Feld geführt worden, dass man die Gewerbesteuer um vier Punkte erhöhen müsse, um die halbe Stelle für die Betreuung des Jugendgemeinderates zu finanzieren. Als dann aber eine weitere halbe Stelle benötigt wurde, konnte ein Kompromiss gefunden werden. Bei der ersten Wahl hätten dann 48 Jugendliche kandidiert. Die Verkündung des Wahlergebnisses, bei dem über 100 Jugendliche dabei waren, sei unvergessen, so Herrmann. Die für die 18 Sitze Gewählten gab der Bürgermeister bekannt. Bei den Nichtgewählten habe es auch Tränen gegeben. Auch die Wahlbeteiligung sei mit 48 Prozent sensationell gewesen. Das habe auch die letzten Skeptiker überzeugt und von den Jugendlichen sei dann auch keiner ausgefallen, so Herrmann. Bei der zweiten Wahl habe es dann einige Jux‑Kandidaten ohne Bild gegeben. Die seien auch alle nicht gewählt worden. Die Jugendgemeinderatswahl in Gerlingen habe drei Mal eine höhere Wahlbeteiligung gehabt, wie die Gemeinderatswahl in Ludwigsburg, berichtete Herrmann weiter. Insgesamt 229 Personen seien in den bisher 15 Wahlperioden ins Gremium gewählt worden. Von den Jugendgemeinderäten seien einige später auch im Gemeinderat aktiv gewesen oder seien heute noch aktiv. Namentlich waren es Frank Moll, Rebecca Stotz, Dennis Uhl und David Rometsch. Für den Jugendgemeinderat könne man nicht mehr kandidieren, wenn man 19 Jahre alt ist, erläutert Herrmann dazu. Man könne sich dann aber in einer Partei oder an anderer Stelle engagieren. Der Jugendgemeinderat sei manchmal mit seinen Fragen sicher nervig, meinte Herrmann. Alle zwei Jahre seien neue Mitglieder im Gremium, die noch keine Erfahrung hätten. Sehen sie das mit den Augen der neuen Jugendgemeinderäte und nicht mit ihrer Erfahrung aus 15 Jahren, forderte Herrmann die Mitarbeiter der Verwaltung und die Mitglieder des Gemeinderates auf. Den Jugendgemeinderäten gab Herrmann den Rat mit, immer daran zu denken, dass politische Prozesse oft lange dauern. Man brauche da große Geduld. „Erinnert euch später daran, was ihr als Jugendgemeinderäte nicht gut gefunden habt und macht es besser.“ Und Herrmann bat alle daran zu denken, dass es nicht „die“ Meinung der Erwachsenen und auch nicht „die“ Meinung der Jugend gibt. Was der Jugendgemeinderat in den vergangenen 30 Jahren geleistet hat, sei toll, hielt Herrmann abschließend fest. Dafür gebühre allen – den aktuellen wie den ehemaligen Jugendgemeinderäten – ein großes Lob. Die Erwartungen, die man an den Jugendgemeinderat vor 30 Jahren hatte, seien nicht nur erfüllt, sondern deutlich übertroffen worden.

Nach dem offiziellen Teil gab es eine Tanzeinlage von sechs Tänzerinnen der Lebensart Dance Studios. Für die musikalische Umrahmung des Festaktes hatten „The Lüxe” (Johnny und Alex Lux) gesorgt. Ihnen allen hatte Josefine Schulz schon bei ihrer Begrüßung gedankt ebenso wie dem Free Food‑Verein, der die Gäste des Empfangs kulinarisch verwöhnt hat sowie dem Stadtjugendring für die Bereitstellung der Infrastruktur, der Katholischen Jugend Gerlingen der beim Getränkeverkauf unterstützt hat und allen anderen Helfern. Nach dem Festakt stand dann noch ein Gallery‑Walk durch 30 Jahre Geschichte des Jugendgemeinderates auf dem Programm und später wurde gemeinsam mit allen Gerlinger Jugendlichen eine Sommerparty gefeiert.

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